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Dillan Marsh, Text von Eleanor Clare

NEVER ODD NOR EVEN





40 Seiten
Risographie, schwarzweiss
1. Auflage
150 Ex.

10.-

Das Buch von Dillan Marsh und Eleanor Clare beginnt und endet auf der ersten Seite. Je nachdem, wie man es dreht und wendet. Zwischen den Deckeln findet sich keine stringente Erzählung, sondern eine Verbindung von Bild und Text, die die herkömmliche Vorstellung vom Buch unterläuft. Das Prinzip des Kreisläufigen knüpft an die Loops und Ringformen an, die in Dillan Marshs Installationen eine wichtige Rolle spielen. Dort gibt es Arenen und Kuppeln, die Raum bieten für Ansammlungen von Material und Dingen. Auch hier begegnen wir einer wohlarrangierten Sammlung. Die ausgewählten Fundstücke sind Bilder unterschiedlichster Herkunft, doch sie werden einer zwingenden Ordnung unterworfen. Marsh und Clare nutzen das Mittel der Spiegelung, um wiederholend und verkehrend formale Substrukturen im scheinbar heterogenen und chaotischen Material aufzudecken. Mit der formalen Abstraktion treten inhaltliche Muster zu Tage. Das Verschwinden der individuellen Identität hinter der Maske und das Aufgehen der Einzelnen in der Menge, Ekstase im Sinne von «ausser sich» sein – körperliche und seelische Grenzerfahren verbinden volkstraditionelle Feste wie den Karneval oder Osterfeuer mit subkulturellen Praktiken wie Raves oder Autorennen. Das wiederkehrende Motiv der Maske steht auch für die das Schwanken zwischen den Polen, zwischen passiv und aktiv, Ordnung und Chaos, Licht und Schatten, dem Komischen und seinem schrecklichen Zwilling, Eros und Thanatos. Ästhetische Produktion erscheint als Prozess, in dem sich das Chaos fast selbstständig formt und sich die träumerische Hingabe an das Material mit der intuitiven Entscheidung der Schaffenden verbindet. Dabei treten archetypische Formen ans Licht, und die Grenzen zwischen High und Low verschwimmen. Eleanor Clare hat dem Bildlichen eine sprachliche Ebene hinzugefügt, die von subjektiven Schilderungen emotionaler Ausnahmezustände bis hin zum Lied als Ausdruck eines kollektiv geteilten Weltgefühls reicht. Das Fragmentarische ihrer Texte eröffnet eine Vielzahl an Bezügen jenseits unserer traditionellen Leserichtung und fordert dazu auf hin- und zurückzublättern, abzuschweifen und zu kreisen.

Stefanie Bringezu